Wohn-Küche mit Gewölbe in Lehmtrockenbau mit Lehmwandheizung
Ortung:
Berlin, sehr grünes und feuchtes Grundstück mit vielen Bäumen.
Objekt:
60m² Altbau, ebenerdig, Flachdach, Baujahr ca. 1930, Sanierung ca. 1970.
Vorhaben:
aus der Garage und dem ehemaligen Wohnzimmer soll ein großes Wohnzimmer mit Gewölbe inkl. Gründach entstehen.
Unser Ziel war es den Altbau in ein „Hobbit-Haus“ umzubauen. Also entschieden wir uns für ein Gründach mit 2 Dachfenstern und runden bzw. halbrunden Fenstern aus Holz (geölt, kein Lack).
Vorgeschichte
Zum ersten Mal im Erwachsenenleben kamen wir durch unsere Kinder auf einem Mittelalterfest mit Lehm als historischen Baustoff in Berührung: Lehmziegel selbst herstellen, Förmchen backen, Wände aus Stroh und Holz mit Lehm verschmeissen. Heraus kamen die tollsten und kreativsten „Bauwerke“. Wir staunten! Selber bauen, ohne spröde Hände, Mundschutz etc. und wenn es nicht wurde wie es sollte, runter damit und neumachen!
Als wir uns Ende 2017 in ein kleines, altes Bungalow
verliebten, begannen wir zu recherchieren. Und siehe da! Entscheidet man sich
für den „richtigen“ Hersteller ist Lehm ein reines und unverdorbenes
Naturprodukt, das die Luftfeuchte reguliert und damit unter anderem den
Bronchien etwas Gutes tut. Da beide Seiten der Familie in der Vergangenheit
immer wieder durch gereizte Lungen, die von schlechter, trockener Luft vor
allem im Winter herrührten, geplagt wurden, war dies unsere Bestätigung, das
Lehmprojekt anzugehen.
Wir begannen damit das Dach der Garage und des alten Wohnzimmers abzutragen und
die Zwischenwand, die das ca. 18m² Wohnzimmer und die ebenso große Garage von
einander trennte, einzureißen.
Neuaufbau
Den Boden haben wir vorerst drin gelassen um einen tragfähigen Untergrund für die Baugerüste zu haben. Das Dach war fort, nichts konnte mehr einstürzen und so haben wir alle alten Fensterstürze herausgerissen, da sie zu tief lagen und haben die neuen Fensterstürze so hoch wie möglich gesetzt. Leider vergaßen wir die Fenster auch nach unten zu vergrößern. Schlaue Menschen bauen sich unter ihren zu öffnenden Fenster ein kleines ca. 40cm hohes Festglaselement ein, da 1. mehr Licht reinkommt und 2. beim Öffnen der Fenster nicht alles weggeräumt werden muss. Ohne Fensterstürze sah das Haus schon so aus als ob es einen Bombenvolltreffer abbekommen hätte, wir standen in einer "Ruine".
Doch ab jetzt ging es ja nur noch vorwärts und so begannen wir zuerst die neuen Stürze zu legen, die offenen Mauerstellen mit Steinen wieder aufzumauern und einen Ringanker zu gießen. Der Raum bekam eine Form und es wurde schon richtig "gemütlich";).
Dachbalken
Für das Schrägdach ließen wir Steico LVR Bindern liefern. Dieses mehrlagig verklebte Holz kann deutlich mehr Dachlast tragen als massives Holz. Wuchs"fehler" im Baum ziehen sich nicht durch den ganzen Träger wie bei Massivholz, sondern werden durch das Mehrlagensystem auf diese eine Teillage beschränkt. Unsere Dachbalken waren nur 7,5cm breit, aber 30cm hoch. Da wir uns eine „intensive Dachbegrünung“ wünschten, d. h. die Variante mit stärkster Erdschicht und der Möglichkeit das Dach als Terrasse nutzen zu können, war dies für uns die sinnigste Lösung.
Auf die Balken kam eine 4 cm starke Holzweichfaserdämmung "steico top" ,eine Unterlüftungslattung, die das Atmen des Daches ermöglicht und obendrauf das Gründach. Das besteht im Grunde nur aus einer Schicht Rauspund 32 mm, einer EPDM 1,5mm Kautschukbahn einem Drainagefließ und der Erde. Dazu gibt es hilfreiche Literatur. Die „Erde“ für das intensive Gründach bzw. für die intensive Dachbegrünung sollte 15 cm stark sein und stellten wir selbst aus Blähton, Perlite, Lehmpulver und den lokalen Mutterboden her.
Boden rausreißen
Nun haben wir den Boden in diesem großen Zimmer herausgerissen, da wir die Kabel als auch die Rohre verlegen mussten. Dabei kam uns spontan die Idee, unter dem Wohnzimmer einen zusätzlichen Kellerraum einzubauen. Generell bemühen wir uns um Effektivität, Ressourcenersparnis und denken im großen wie im kleinen „grün“. Daher kam es uns sehr gelegen, dass unter dem herausgestemmten Beton feinster, heller brandenburger Karnickel-Sand in 1A-Qualität zum Vorschein kam. Mit Rapido-Lehmpulver haben wir nach einigen Versuchen einen richtig guten Lehmputz hergestellt und konnten so den Sandaushub gleich zum Lehmputz umfunktionieren, anstatt ihn für einen Haufen Geld in einem Container entsorgen zu lassen! Wir haben also den Kelleraushub einfach in eine Ecke geschippt, den Kellerboden gegossen, die Kellerwände gemauert und den Boden wieder angeglichen.
Dampfbremse und Dämmung ausblasen
Somit war das Häuschen wieder wetterfest, wir konnten nun beim Innenausbau weitertoben...
Weiter ging es mit der Decke, die uns am meisten Zeit,
Nerven und Energie kostete. Nach den LVR Steico Balken, zogen wir eine
Dampfbremse ein, um Kondensat in der Decke sicher zu verhindern. Diese
entstandenen Hohlräume mit 30cm Höhe wurden zum späteren Zeitpunkt mit
"steico cell" Holzfasern ausgeblasen. Insgesammt hat also unser
Gebäude 34cm Dämmung und ein Gründach.
Aus ästhetischen Gründen – ein Fachwerk imitierend – leisteten wir uns zehn
20x20cm Kanthölzer, die wir als eine Art Raumtrenner aufstellten. Auf jeder
Seite tragen 3 Stiele 2 Balken, so genannte "Lagerfette". Der Raum
wird auf diese Weise längsseitig durch eine Art Galerie mit gerader Decke
abgeteilt zu dem späteren Gewölbe mittig.
Konterlattung
Nun endlich konnten wir mit der Konterlattung beginnen die mit Hilfe von Direktabhängern und Stellschrauben die Gewölbeform ergeben sollten. Es ist gar nicht so einfach ein Gewölbe einzuhängen, man benötigt eine Basis von der beginnend man einen harmonischen Bogen ziehen kann. Nur wie? Technisch korrekt oder frei Schnauze?
Die Basis bildeten die beiden Lagerfetten, der Stich war
auch klar, weil der höchstmögliche Punkt in der Mitte sein sollte. Aber wie
einen schönen und vor allem gleichmäßigen Bogen erreichen? Rechnerisch lag der
Kreismittelpunk an dem wir eine Schnur hätten befestigen können etwa 4 Meter
unter der Erde... Mit Tangens und Co-Tangens was berechnen zu müssen war ebenso
außerhalb meiner Vorstellungskraft. Wir haben es dann einfach in kleinen
Etappen an eine Stirnwand gemalt und auf einen schönen Schwung geachtet. Ein
Gewölbe muss ja - gottseidank - nicht kreisrund sondern nur harmonisch sein und
dem Betrachter ein Gefühl von Stabilität vermitteln.
Nun haben wir mittig im Raum direkt unterhalb der Lagerfetten eine Latte
angeschraubt, die Position der Konterlattung markiert und die entsprechende
Höhe des Gewölbes an dieser Stelle draufgeschrieben. Somit hatten wir am Anfang
und am Ende der Konterlattung die nötigen Höhepunkte und brauchten nur noch an
der richtigen Stelle und mit der richtigen Höhe ohne großes Messen und
Justieren die Konterlattung anschrauben. Die Latte selber musste nur noch
gerade sein. Schwups - schon war das Gewölbe (fast) fertig.
An die Konterlattung tackerten wir mit einem Klammerschussgerät die schmalen
25mm Rapido Lehmbauplatten. Tackern geht viel schneller als Schrauben und
kostet deutlich weniger Geld. Gut für den Hobbytheker: Rapidolehm vermietet das
Klammerschussgerät. Nach diesem Schritt konnten wir dann die Krümmung der Decke
(Tonnengewölbe) sehen. Über Kopf arbeiten war anstrengend und wird niemals eine
Lieblingsbeschäftigung werden… Letztendlich hat es sich aber gelohnt!
Die Lehmbauplatten wurden nun ordentlich mit einer Wasserpistole bzw.
Wäschesprüher vorgenässt und vollflächig mit dem Rapido Universallehmputz
armiert. Es lohnt sich nicht, die einzelnen Fugen streifenweise zu armieren und
dann erst die Zwischenräume zu glätten. Es geht deutlich schneller, wenn das
Gewebe vollflächig draufliegt. Man muss aber erwähnen, Jute ist zwar nach
meinen Erfahrungen zwar die ökologischere Armierung, kann aber ganz schön
hinterhältig sein. Man denkt man hat alles Gewebe eingebettet und ist fertig,
dreht sich um und da rollt sich so ein boshaftes Stück Jute einfach aus dem
Putz und zieht in einer Kettenreaktion die ganze Bahn wieder runter. Wir
lernten aus diesem Erlebnis: Gewebebahnen in einer Decke werden im Grunde nie
überlappt wie in einer Wand. Schlaue achten darauf, dass an der Stelle wo die 2
Bahnen sich treffen kein Grund für eine Armierung besteht, weil es z.B. die
Mitte einer Lehmplatte ist. Dann haben wir auch nur kurze Bahnen von 2 m Länge
und im Falle eines unglücklichen Einbettens bleibt die Tragik überschaubar.
Innenwandputz Wandheizung
Nachdem wir also den Keller gebaut, den Boden geschlossen, die Decke eingehängt und die Fenster montiert hatten, wurden die Wände in der Zwischenzeit mit Wandheizungsrohren 16mm bestückt. Hierzu werden spezielle Profile in einem Abstand von 1 m an die Wand geschraubt und das Rohr mit dem Handballen ins Klickprofil gedrückt. Das Rohr haben wir waagerecht montiert, ca 10 cm vor dem Wandende die "Kurve" gelegt und dann zurück. Laut Montageanleitung sollte immer von 10 cm über Fertigfußbodenhöhe bis 2 m Raumhöhe montiert sein.
Tipps aus der Anleitung: 1. 16m Rohr sollte je Heizkreis maximal 80 m lang sein. Je mehr Rohre verbaut sind desto flexibler ist man in der Platzwahl der Möbel - und das wollte meine Frau sein - und desto geringer kann die Vorlauftemperatur sein. 2. Hält man ein bestimmtes Raster ein, weiß man später bei Aufhängen der Bilder oder Regale, wo ein Rohr ist. Vergisst man dies, kann man immer noch mit einem kleinen Schraubenzieher manuell in die Lehmwand bohren, trifft man auf ein Rohr, geht dies nicht kaputt. Bohrt man dann einfach 5cm weiter oben und verdeckt somit gleich das "Rohrloch";). Meine Frau findet das umständlich und wünscht sich in ggf. weiteren Räumen eine Fußbodenheizung...
Jetzt die Elektrik
Auch die geht in Lehm mit Lehm und nicht mit Gips. Mir
erschien es nämlich nicht sinnvoll das jetzt mit Gips zu machen. Das muss
jedoch dem Elektiker gesagt werden! Statt des Elektriker-Gipses haben wir zum
Fixieren der Dosen und Kabel den Rapido Klebe- und Armierungsmörtelgenommen:
einfach in das Dosenloch ordentlich Wasser reinspritzen, eine Kelle voll Lehm
hinterher und in den frischen Mörtel die Dose drücken. Das Borhloch sollte nun
nahezu voll sein. Nach 24 Stunden war der Lehm soweit getrocknet, dass wir die
Kabel legen konnten. Auch hier ein Tip von einem erfahrenen Lehmbauer: Kabel
passend zuschneiden und abisolieren, den Kabelkanal ordentlich mit Wasser
vornässen, den Kabelkanal mit Lehm füllen und das Kabel in den frischen Mörtel
einbetten.
Jetzt haben wir mit einer geliehenen Putzmaschine ca. 2 cm den Rapido
Universallehm bzw. wie bereits erwähnt mit unserer eigenen
Karnickel-Sand-Mischung an die Wand gespritzt. Mit einer Latte zogen wir die
Wände plan. Ventilatoren beschleunigten die Trocknung, denn wir wollten schnell
fertig werden. Die Ventilatoren ließen wir in die Zimmerecken blasen, damit die
Luftzirkulation optimal fließen konnte. Geöffnete Fenster halfen uns dabei
auch. So konnte relativ schnell nach - einer Woche - schon die 2. Lage mit der
Gewebearmierung über der Wandheizung geputzt werden.
Leider zeichnete sich auf dem Gewölbe die Jutearmierung im braunen Lehmputz ab
und wir bekamen es mit der Angst, dies würde auch im Lehmedelputz geschehen.
Also machten wir im Vorfeld einen kleinen Versuch, ob sich bei erneutem Auftrag
etwas abzeichnet. Und siehe da, alles ging gut, der Rapido-Lehmedelputz deckte
prima alles zu.
Um die Oberlichter in das gesamte Bild zu integrieren, versuchten wir uns an
verschiedenen „Umrandungen“. Die Oberlichteinfassung war zwar anstrengend über
Kopf zu bearbeiten, aber der dankbare Lehm ließ sich x-Mal neu modellieren bis
wir zufrieden waren: Wir schmissen den Universallehm um die Öffnung und gaben
im nassen Zustand mit den Fingern die Sandsteinformen an. Im getrockneten
Zustand konnten wir vorsichtig mit Hammer und Meissel oder alternativ mit der
Kante der Kelle eine Steinstruktur herstellen (das nennt man wohl „Bossieren“).
Die Sandsteinimitate haben den Charme eines Rittergewölbes. Allerdings eines
wohnlichen, denn umgeben von dem zum Schluss aufgebrachten hellen Lehmedelputz
wirkt das Gesamtbild warm und kuschelig.
Etwa 2 Tonnen Sand haben wir als Reserve draußen in einem Bigbag
zwischengelagert. Somit hatten wir einen Raum mit fertiger Decke, grob
geputzten Wänden und freiem leeren Fußboden, den wir nun mit Glasschotter
auffüllten. Dieses Material ist eine Dämmung aus aufgeschäumten Glas,
verhindert aufsteigende Feuchtigkeit, dünstet und gast nicht aus, ist später
kein Sondermüll und ist zudem sehr tragfähig. Glasschotter sieht aus der
Entfernung aus wie ein Kohlehaufen, nur leicht und fast fluffig und ohne
schwarz abzufärben. Beim Verteilen und Begradigen des Fußbodens halfen auch
unsere Kinder mit.
Als der Glaschotter ausnivelliert und begradigt war, wurde eine Folie aufgelegt
und mit „Steico protect“ 6cm längs und 4cm quer der finale Bodenaufbau verlegt.
Das Echtholz-Klickparkett sparten wir uns als allerletzten Arbeitsschritt auf
;)
Nun gab es die letzte finale braune Putzlage über alle Wände und nach vier
Tagen Trocknungszeit mischten wir in einer große Tuppe (großer, schwarzer
Eimer) den Edelputz in einem orange und einem hellbeigen Ton an (A8 auf dem
Farbfächer). Mit einer Glättkelle wurde er dann aufgetragen. Nach ca. 1 bis 2
Stunden filzten wir mit einem Schwammbrett nach, welches der Fliesenleger zum
waschen beim Verfugen nimmt. Dieses hat die optimalen Poren und wenn man es in
einem Waschboy (Wassereimer mit Rollen drauf) hin und wieder auswäscht, wird
der überschüssige Sand prima abgewaschen und es entsteht eine wunderbare
Lehmputzoberfläche mit Tiefenwirkung. Alle Inhaltstoffe werden sichtbar. Dies
wiederholten wir nach weiteren 2 Stunden noch einmal. Man kann das wohl zur
Perfektion treiben in dem man noch weitere Male filzt, aber wir entschieden uns
die letzten überschüssigen Sandkörner mit einem Besen abzufegen.
Die 2 Längswände sollten einem Farbton ähnlich des Holzes bekommen. Leider
passte unsere Vorstellungskraft mit der späteren Realität nicht überein. Die
Intensität war zu groß, der Raum wurde zu dunkel. Irren ist halt männlich! Wir
haben den orangenen Lehmedelputz einfach mit dem Beige der Giebelwände und des
Gewölbes überzogen und alles passte!
Als alles fertig geputzt und trocken war, legten wir das
Klickparket rein, bauten erst die Küche und dann den Weihnachtsbaum auf und
zogen ein.
Fazit: Wir sind total begeistert und werden den gesamten weiteren Aus-, Um- und
Neubau mit Lehm bestreiten!
Frohes Schaffen,
Familie Farid
Bilderlegende
1- eine Garage und ein kleines Wohnzimmer werden eine
gemütliche Wohnküche
2- unser kleines Bungalow
3- der Abriss
4- das Flachdach wird mit Steico Bindern gelegt
5/6- die Trennwand ist raus und das neue Dach drauf
7/8 -Gewölbeunterkonstruktion mit Messpunkten für den Gewölbestich
9- Nahaufnahme der Konterlattung mit Lehmbauplatten
10- Vorzeichnung für das Sandsteinimitat
11- Elektrik und Wandheizung sind fertig zum Lehmputzen
12/13- Lehmputz an der Wandheizung
14- Rapido Universallehmputz als Sandsteinimmitat im Rohzustand mit
Durchschlagtest vom Jutegewebe
15/16- Fenstereinfassung mit Sandsteinimitat aus Rapido Universallehmputz
17/18- Schaumglasschotter und Steico protect
19/20- das Wohnzimmer mit weißen und orangefarbenen Lehmedelputz
21- das fertige Wohnzimmer mit einem Gewölbe aus Lehmbauplatten